Dienstag, 23. Februar 2010

Sauerkraut

Bevor Luiza nach Deutschland kam, hatte sie immer wieder von dem berühmten deutschen Sauerkraut gehört.
Nachdem sie 3 Monate als Au-pair-Mädchen im Land war, fragte ihre Gastfamilie sie, ob sie einen bestimmten Essenswunsch habe. "Fantastisch!", dachte sie voller Begeisterung und wünschte sich für den nächsten Sonntag Sauerkraut.
Am Sonntag saß die ganze Familie am Tisch. Luiza schaute mit leuchtenden Augen auf das Essen. Die Familie hatte sich viel Mühe gegeben und alles selber zubereitet: Leberknödel auf Sauerkraut.
Endlich würde sie ihrer Familie und Freunden in Brasilien berichten können, dass sie Sauerkraut gegessen habe!
Voller Freude schnitt sie zunächst ein Stück von dem Leberknödel ab und steckte es in den Mund. "Ihhh", dachte sie, "das schmeckt ja gar nicht besonders".
Dann schaufelte sie ein wenig Sauerkraut auf ihre Gabel. Kaum berührte das saure Kraut ihren Gaumen, hatte sie das Gefühl, ihre Kehle würde sich zuschnüren. Sie schaute sich um, ob jemand am Tisch etwas bemerkt hatte und bemühte sich, weiterhin freundlich zu schauen.
Sie versuchte, das Sauerkraut herunterzuschlucken. Es ging nicht. Sie probierte es noch einmal und würgte es schließlich mit Tränen in den Augen hinunter.
So ging es ein paar Minuten, bis allen klar war, dass Luiza in Sauerkraut keinen Freund gefunden hatte.
Es ist nicht bekannt, was sie ihren Freunden darüber berichtete. Dafür nutzte sie die nächsten Jahre, um sich an Sauerkraut zu gewöhnen und behauptet heute stolz von sich, dass sie in der Lage ist, Sauerkraut zu essen.

Sonntag, 7. Februar 2010

Behinderte überall

Immer wieder bekommt Zhang Besuch aus der Heimat.
Wie viele Menschen, die ins Ausland reisen, können auch die meisten seiner Besucher, keinen rechten Geschmack an der fremden, deutschen Küche finden und behaupten, dass ihnen die Speisen nicht gut bekämen.
Doch zum Glück ist Zhang Chinese, was seine Ehre und das Leben seiner Gäste rettet. Denn egal, wohin er sie in Deutschland oder Europa führt, überall gibt es chinesische Restaurants und Schnellimbisse. Es kommt ihm manchmal wie ein dichtes Netz von Apotheken vor, das seine Gäste mit lebenswichtigen Präparaten versorgt.
Apropos Apotheken, was Zhangs Gästen immer wieder auffällt, sind die vielen behinderten Menschen, die sie in Deutschland auf der Straße sehen. Dort ein Blinder, der an der Ampel steht, dort ein Rollstuhlfahrer, der in den Bus einsteigt, hier eine alte Dame mit Laufhilfe und drüben eine Gruppe behinderter Kinder auf einem Ausflug.
"In Deutschland gibt es aber viele Behinderte!", murmeln sie ihm dann erstaunt zu.
Am Anfang war Zhang selbst überrascht über diese Entdeckung, denn in der Tat sieht man nirgendwo in China auch nur annähernd so viele Behinderte wie an einem ganz gewöhnlichen Tag auf einer deutschen Straße. "Aber klar", dachte er sich als er eine Weile über den Gedanken gegrübelt hatte, "in China ist kaum ein Behinderter so lebensmüde, sich auf die Straße zu wagen." Die Infrastruktur erlaubt es Menschen mit Einschränkungen einfach überhaupt nicht, das Haus zu verlassen.