Samstag, 16. Januar 2010

Ekel

Maria fand es eklig.
Als sie das erste Mal in einer Bäckerei stand, traute sie ihren Augen nicht als sie sah, wie der Verkäufer erst das Brot mit bloßen Händen anfasste und dann mit der gleichen Hand das Geld in Empfang nahm.
In Portgual wäre dies unmöglich gewesen. Der Verkäufer hätte das Brot niemals mit den Händen berührt, sondern eine Zange oder einen Handschuh benutzt.
Und das Geld? Für die Portugiesen gibt es kaum etwas Schmutzigeres. Kranke berühren es, Bettler stecken es in ihre Schuhe - es geht von ungewaschener Hand zu ungewaschner Hand.
Niemals würde man Geld auf einen Tisch legen. Weder im Restaurant, noch in der Küche, noch im Wohnzimmer. Genauso gut könnte man dort Hundekot platzieren.
In den folgenden Wochen in Deutschland begegnenten Maria noch viele weitere Beispiele, die ihr kalte Schauer den Rücken hinunter jagten.
Wie zum Beispiel der Eisverkäufer, der das Hörnchen direkt anfasste, anstelle den Fuß des Hörnchens in eine kleine Papiertüte zu stecken. Oder die Kunden im Supermarkt, die das Obst im Regal nicht nur mit bloßen Händen berührten, sondern es nahmen, drückten und wieder zurücklegten.
Entgegen all ihrer Erwartungen kam ihr Deutschland dreckig und unhygienisch vor, und sie brauchte eine Weile, um den größten Ekel zu überwinden.
Dafür identifizierte sie eines Tages voller Freude einen Landsmann, ohne mit ihm viele Worte gewechselt zu haben: Sie kaufte eine Waffel, die am Verkaufsstand frisch gebacken wurde. Der Verkäufer schüttete den Teig in die Form, nahm die Waffel mit einer Zange heraus, legte sie auf ein Papptellerchen und zog sich schließlich einen Handschuh an, um das Geld entgegenzunehmen.
Vom Gesehenen völlig überrascht fragte sie ihn ohne Umschweife, ob er aus Portugal sei. Er bejahte und Maria genoß die blitzsaubere Waffel wie selten eine Waffel zuvor.

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